Saharastaub-Ereignisse sind in der Schweiz kein ungewöhnliches Phänomen (MeteoSchweiz). Sand aus den Wüstengebieten Nordafrikas steigt regelmässig einige Kilometer in die Atmosphäre auf und die kleinen Partikel können bei einer starken südlichen Strömung in großer Höhe durch ganz Europa transportiert werden.
Seit Anfang Februar 2021 ist dieses Phänomen besonders häufig und ausgeprägt. Dank der Ergebnisse der Messungen der Radioaktivität in der Luft des BAG kann ein gesundheitliches Risiko durch künstliche Radionuklide, die möglicherweise im Saharastaub vorhanden sein könnten, ausgeschlossen werden.
Die Frage nach der Radioaktivität stellt sich, da Frankreich anfangs der 1960er Jahre in der algerischen Sahara Atombombentests durchgeführt hat und somit mit dem Staub auch Spuren der damals entstandenen Radioaktivität in die Schweiz gelangt sein könnten.
Dank seines Dispositivs von Hochvolumen-Aerosolsammlern (HVS) ist das BAG in der Lage, kleinste Spuren von Radioaktivität (Gammastrahler) in Aerosolen nachzuweisen. Sechs Stationen (Posieux, Cadenazzo, Güttingen, CERN, Klingnau, Liebefeld) sind in Betrieb. Die Aerosolfilter werden im Normalfall nach 7 Tagen gewechselt und zur Messung ins Labor geschickt. Die Ergebnisse werden auf der Plattform www.radenviro.ch veröffentlicht. Ein Hinweis auf eine Erhöhung der Radioaktivität durch die früheren Atombombentests könnte über das 137Cs hergeleitet werden, da die anderen Gammastrahler, die bei nuklearen Explosionen entstehen, kurzlebig und heute nicht mehr messbar sind.
Zeitverlauf der Konzentrationen von Cäsium-137 in der Luft in microBq/m3 Januar-Februar 2021.
In der Schweiz ist 137Cs – unabhängig von Saharastaub – oft immer noch in kleinsten Konzentrationen in der Luft vorhanden, da auch die Schweiz von radioaktivem Niederschlag (Fallout) nach den atmosphärischen Atomwaffentests (hauptsächlich durch die USA und die UdSSR) in den 50er und 60er Jahren betroffen war. Zusätzliches 137Cs wurde 1986 nach dem Tschernobyl-Unfall auf den Böden agbelagert, insbesondere im Tessin. Aus diesem Grund sind typischerweise im Winter, zum Beispiel durch Aufwirbelung von Bodenpartikeln, kleinste Spuren von 137Cs in der Luft messbar (Jahresberichte «Umweltradioaktivität und Strahlendosen in der Schweiz»; siehe auch Bericht «Waldbrände Tschernobyl»).
Die Abbildung oben zeigt die seit Anfang 2021 an den sechs HVS-Standorten in der Schweiz gemessenen Konzentrationen von 137Cs. Es fällt sofort auf, dass die Konzentrationen von 137Cs im Tessin über den gesamten Zeitraum höher sind als an den Stationen nördlich der Alpen. Dies ist auf den erwähnten grösseren Fallout durch den Unfall in Tschernobyl 1986 zurückzuführen. An den anderen Stationen werden sporadisch winzige Spuren von 137Cs in der Größenordnung von 1 microBq/m3 gemessen. Die im Februar und insbesondere am Wochenende des 7. Februar gemessenen Werte von 137Cs liegen im üblichen Bereich. Ein sehr geringer Anstieg durch Staub aus der Sahara kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden; die Werte bleiben aber mehr als 1 Million Mal unter dem in der Strahlenschutzverordnung definierten Immissionsgrenzwert.
Falls das gemessene 137Cs eine Komponente aus den Atombombentests in der Sahara (via aufgewirbeltem Saharastaub) enthalten würde, wären auch Spuren von Americium- und Plutonium-Isotopen in der Luft zu erwarten. Um dies zu prüfen, hat das BAG ein spezialisiertes Labor beauftragt, Plutonium und Americium in den Februar-Aerosolfiltern zu analysieren. Die Spurenmessung dieser Alpha-Strahler ist jedoch sehr aufwendig und wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse werden veröffentlicht, sobald sie verfügbar sind.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die im Februar in der Luft in der Schweiz gemessenen Spuren von 137Cs nicht unüblich hoch sind und dass sich mit den bisher vorliegenden Messungen nicht feststellen lässt, ob das 137Cs teilweise auf Staub aus der Sahara zurückzuführen ist. Ein radiologisches Gesundheitsrisiko kann ausgeschlossen werden.
Zur Illustration nachstehend ein Foto mit Aerosolfiltern vom Jungfraujoch (diese Filter sind kleiner als die grossen oben erwähnten Hochvolumenfilter!) …
… und die entsprechenden PM-10 Messwerte:
Datenabfrage NABEL